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Texas – deutsche Einwanderergeschichte

Deutsche Einwanderer in Texas

Fredericksburg, Texas
Fredericksburg, Texas

Deutsche und Texas haben eine enge Verbindung – gemessen an der Bevölkerungszahl im Jahr 2000 leiten sich aus reinen deutschen Vorfahren ca. 8% der Texaner ab und aus teilweisen nochmals die gleiche Zahl ab. So sind Deutschstämmige die zweit-stärkste ethnische Gruppe nach den Hispanics.

Fredericksburg, Texas
Fredericksburg, Texas

Einwanderungswelle
Wenngleich einzelne deutschstämmige Einwanderer schon in der Zeit, als die Mexikaner und Spanier die Kontrolle über das Gebiet hatten, eingewandert sind, so werden allgemein die frühen 1830er Jahre als der Beginn einer starken deutschen Einwanderungswelle benannt.

German Belt
Ein interessantes Phänomen in Texas ist der sogenannte German Belt. Deutsche hatten bei ihrer Immigration in die neue Welt ein starkes Zusammenhaltgefühl und siedelten stets in ‚geschlossenen Gruppen‘, blieben weitestgehend unter sich. Wurden die Siedlungen zu gross oder unattraktiv oder kamen ganze „Dörfer“ geschlossen in die Neue Welt, so zog man weiter und siedelte an neuer Stelle.
Es entstand eine Art Gürtel, eben der German Belt. Dieser begann bei Galveston und Houston im Südosten und zog sich über Zentral-Texas gen Westen nach Kerrville, Mason und Hondo – allgemein gesprochen das Gebiet von der Küste, den Coastal Plain nach Hill Country.
Letzteres oder ein Teil davon wird noch heute als ‚German Hill Country‘ bezeichnet.
Betrachtet man diese Orte, so stellt man fest, dass sich der Belt über eine riesige Distanz zieht und sicherlich nicht als eng geschlossen bezeichnet werden kann, aber in Texas ist eben alles etwas grösser…

Auslöser
Nun kann man sich fragen, was diese Immigrationswelle auslöste, schliesslich war hier kein Goldrausch und es handelte sich nicht um den Goldenen Westen. Migrations-Wissenschaftlern ist dies kein unbekanntes Phänomen: Es wird als ‚Konzept starker Persönlichkeiten‘, ‚Ketten-Migration‘ oder ‚Amerika-Briefe‘ bezeichnet. Ausgelöst durch eine Persönlichkeit, die eine besonders ausgeprägte Führungsnatur und Motivationskraft hat, um andere zu beeinflussen und mit sich zu reissen. Im Falle von Texas handelt es sich um Friedrich Diercks, einem Gärtner aus Nordwestdeutschland, dem Gebiet um Oldenburg. Diercks, der sich allerdings einen anderen Namen zulegte, nämlich Johann Friedrich Ernst, wurde zu zentralen Figur der Einwanderungswelle. Seine in die Heimat versandten ‚Amerika-Briefe‘ sprühten von Begeisterung und die Idee des Aufbruchs, des Neuanfangs mit fantastischen wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen, setze sich in den Köpfen der bis dato ‚Daheimgebliebenen‘ fest.
Zigtausende folgtem seinem Ruf.
Ernst selbst hatte bei seiner Einwanderung Missouri als Ziel. In New Orleans hörte er jedoch davon, dass westlich in der Kolonie, die von einem Stephen F. Austin gegründet worden war, Land vergeben wurde. Ernst bewarb sich und bekam 1831 ein 1.600ha groses Stück Land zugeteilt. Er siedelte und von hier aus motivierte er durch seine Briefe die dann folgenden Aussiedler. Das Gebiet, heute Austin County, wurde zum Startpunkt des German Belt.
Die ersten Siedler blieben in seiner Nähre und liessen sich in Orten wie Industry, Cat Spring und Rockhouse nieder.

Ernst’s Briefe wurden in Norddeutschland in Zeitungen abgedruckt und initierten somit vorwiegend einen Einwandererstrom aus Oldenburg, Holstein und Westfalen.
Der deutschen Mentalität und Gewohnheit entsprechend in kleinen begrenzten Gemeinden auf engem Raum zu leben wurde
interessanterweise auch auf das neue Land übertragen – man konnte fast beobachten, wie ganze Gemeinden einfach ein paar tausend Kilomenter von Europa nach Amerika versetzt wurden. Frühere Nachbarn waren oft auch wieder in Texas Nachbarn. Aber dieses Verhalten war auch die notwendige Grundlage, um Sprache, Gebräuche und Traditionen aufrechtzuerhalten.

Adlige und die Aussicht auf Macht
Der Zustrom deutscher Einwanderer, die von Ernst’s euphorischen und stets nur positiven Briefen bezüglich Texas‘ mitgerissen wurden, hielt das Jahrzehnt über an.

Lange genug, um bei einer kleiner Gruppe -bis dato unbedeutender- Adliger in Deuschland die Idee aufkeimen zu lassen, sich in einem neuen Land mit Einfluss, Macht, Ansehen und natürlich Wohlstand zu versehen.
Ihre Idee war, in der nun unabhängigen Republik Texas, unter Umständen auch politischen Einfluss gewinnen zu können.

Gesagt – getan, das ‚Texas Projekt‘ wurde ins Leben gerufen und ein Verein wurde gegründet: der Adelsverein – Verein zum Schutze Deutscher Einwanderer in Texas.

Tausende von Bauen wurden überzeugt, nach Texas zu kommen und den wirtschaftlichen Erfolg zu spüren. Ganze Dörfer in Deutschland wurden dadurch stark in ihrer Bevölkerung reduziert – manche komplett ‚ausgewandert‘.

Zwischen 1844 und 1847 kamen so ca. 7.000 Bauern und auch Handelstreibende nach Texas.

Viele der Einwanderer blieben einfach in Galveston, Houston und San Antonio hängen; einige erlebten die Neue Welt nur kurz, da die ersten Epidemien bereits eingeschleppt waren.
Wenngleich das Projekt den Verein finanziell ruinierte statt zu sanieren, bemühte man sich vom Verein aus, immer mehr eigenständige Gemeinden zu etablieren.

John O. Meusebach war einer der Adligen, der stark an der Auswanderungs-Motivation von Deutschen arbeitete und zugleich einer der Köpfe des Adligenvereins. Man spricht davon, dass er an die 35 Gemeinden zur Auswanderung bewegen konnte.
Die bekanntesten Orte, die von ihm und dem Verein gegründet wurden, waren New Braunfels und Fredericksburg, die heute noch eine deutliche deutschstämmige Bevölkerung aufweisen und in denen deutsche Traditionen hochgehalten werden.

Ein anderer massgeblicher Kopf war Henri Castro, der aus seinem Heimatgebiet, dem Elsass, mehr als 2.000 deutschsprachige Siedler zum Umzug animierte und den Ort Castroville gründete, dem Zentrum der Elsass-Deutschen.

Bis 1850 hatte der German Belt bereits seine Gestalt angenommen; man versuchte zwar weiterhin durch Briefe neue Auswanderungswillige zu finden, allerdings wurde es schwieriger, denn der Bürgerkrieg, der zwar erst etliche Jahre später beginnen sollte, zeichnete sich bereits ab und sorgte dann erst einmal für einen Stop der Einwanderungswelle.

Nach dem Bürgerkrieg
Nach dem Krieg ging es 1865 dann aber im noch stärkeren Masse weiter und bis 1890 blickte man auf ca. 40.000 weitere Einwanderer, die sich über Texas verteilten und eigene Besiedlungsprojekte starteten. Einige gingen schief, andere waren erfolgreich.
San Antonio, Galveston und Houston gehörten dennoch immer wieder aufgrund ihrer Wirtschaftskraft zu bevorzugten Siedlungsgebieten.
Ende der 1880er waren in San Antonio ein Drittel der Bevölkerung Deutsche. Der heutige ‚King William Historic District‘, der auf der King William Street basiert, einst eine der einflussreichsten und wohlhabendsten Nachbarschaften in San Antonio, gibt noch heute einen Eindruck der damaligen Zeit.

Ruhe
Seit den 1950er Jahren ist es insgesamt stiller um die Aufrechterhaltung deutscher Sitten und Gebräuche in Texas geworden, zumindest ist die Dominanz und das Enklaven-Dasein langsam geschwunden. Sicherlich ist die Tradition nicht vergessen und die Zahl der deutschstämmigen wird das Deutschtum nicht vergessen lassen, aber der Texaner von heute, auch wenn er seine deutsche Wurzeln kennt und liebt, fühlt sich als Texaner und nicht als Deutscher. Die Migration ist abgeschlossen.

Verschiedenheit der Einwanderer
Über die Jahrzehnte der Einwanderung kamen die verschiedensten Gruppen nach Texas – nicht nur im religiösen Sinne, wo das Spektrum von Atheisten bis Protestanten und Katholiken ging, sondern auch vom Bildumgsstand und dem gesellschaftlichen Umfeld.
Das Pedernales River Valley hatte so für eine Zeit lang den Ruf, die Heimat der ‚tanzenden und trinkenden‘ Deutschen zu sein, wobei es sich sowohl um lutherische als auch katolische Farmer handelte. Die sogenannten ‚Freidenker‘, wobei es sich um Interlektuelle und politisch im Heimatland Verfolgte handelte, konzentrierten sich auf das Upper Valley of the Guadalupe. Das Llano Valley war bekannt für deutsche Methodisten.
Auf Kultur, Gesellschaft und Politik übten einige der dominanten Einwanderer ebenfalls eine nachhaltige Wirkung aus. Namen wie Chester W. Nimitz (Militär), Robert J. Kleberg (Rancher), Gustav Schleicher (Politik) und Charles A. Schreiner (Handel) sind noch heute bekannt.

Bräuche
Deutsche Zeitungen, Vereine, Handwerke und anderes ist noch viel zu finden. Der Brauch der Osterfeuer stammt vermutlich von Einwanderern aus Westfalen und Niedersachsen, Ostereier und -sträuche sowie Weihnachtsbäume sollen ebenfalls von deutschen Einwanderern verbreitet worden sein. Am Oster-Samstag abends ist es in Fredericksburg heute noch ein alljährlicher Brauch, die Osterfeuer zu entzünden.

Besucher
Der Besucher von Texas kann sich bei seinen Reisen die vielen deutschen Kolonien und Einflüsse anschauen.
Schützenfeste, Tradtionsvereine und ‚deutsche Wurscht‘ sind immer noch eine Besonderheit im Texas von heute. Eine
Fahrt durch ‚German Hill Country‘ wird viele Erinnerungen an Deutschland hervorrufen.

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